Kirche in der Kneipe
Freitagabend - eine Gruppe sitzt mit dem ersten Feierabenddrink entspannt um einen Tisch. Ein junger Mann unterhält sich mit Barkeeper Ole. Eine Mutter überbrückt bei einem Tee die Wartezeit, während das Kind beim Training ist. Die nächste Besucherin, die herein kommt, bestellt einen Aperol.
Direkt neben der St. Petri Kirche in Buxtehude ist das alles den ganzen September über möglich. Ein Pop-up Pub hat in der „Alten Lateinschule“ in der Abtstraße 1 neu eröffnet. Kirche und Kneipe – mit dieser ganz besonderen Mischung möchten drei Diakon:innen junge Erwachsene einladen, Kirche einmal ganz anders kennenzulernen: Z. B. um bei einem leckeren Getränk und in relaxter Atmosphäre über die kleinen und die großen Fragen ins Gespräch zu kommen oder einfach eine gute Zeit zu verbringen.
An manchen Abenden gibt es Programm: Am vergangenen Samstag spielte LuckyHeart ein unplugged Solokonzert, sonntags kann jede:r etwas mitbringen zu einem gemeinsamen Abendessen unter dem Motto: „Bring and share“. Montags trifft sich der queere Stammtisch. Und später am Freitag gab es die Gelegenheit, sich über Misserfolge auszutauschen in der „Fuck-up-Night“, einem Format, das Startup-Firmen entwickelt haben, um eine fehlerfreundliche Kultur zu pflegen und Scheitern als Chance zu begreifen. Das Programm der nächsten Wochen findet sich unter Pop Up Pub.
Die Diakon:innen Franziska Feldmann aus der BAHN-Region im Kirchenkreis Buxtehude, Ole Neumann aus Heeslingen und Kathrin Beushausen aus Worpswede haben die Idee zu diesem FreshX-Projekt von einer Fortbildung in London mitgebracht. FreshX steht für „fresh expressions of church“. Gemeint sind neue Ausdrucksformen kirchlichen Lebens. In England konnten so Kirchenräume wieder neu belebt werden oder Kirche präsentiert sich in der Stadtteilarbeit mit niedrigschwelligen Angeboten, die vor allem eine Botschaft haben: Du bist hier willkommen.
Auch Kirchenferne sind schon im Pop-up Pub eingekehrt, freut sich Franziska Feldmann: „Manche erst, nachdem sie schon ein paar Mal dran vorbeigelaufen sind und sich dann gesagt haben: Jetzt geh´ ich mal hin. Weil Kirche dran stand, haben einige auch ihre Fragen nach Glaube und Gott gestellt.“ Alles ganz locker, gemäß dem Motto des Projekts: Alles kann, nichts muss.
Das Team möchte vor allem junge Erwachsene von 18 bis 35 ansprechen, doch es gibt keine Altersbeschränkung. Alle sind hier gern gesehen. Bei den Getränkepreisen kann jeder Gast wählen, ob er oder sie den günstigen Einkaufspreis zahlt oder einen etwas höheren Solidaritätspreis.
Buxtehude ist nur eine von drei Stationen, in denen der Pub für je einen Monat aufmacht. Los ging es im August auf dem Marktplatz in Osterholz-Scharmbeck. Dort hatten die Drei ein gemietetes Tiny-House aufgebaut mit einer Küche darin. In den Sitzgruppen und Liegestühlen drum herum fanden sich bei bestem Sommerwetter viele Menschen ein, z. B. in der Mittagspause oder als Zwischenstopp beim Shopping. Im Oktober wird der Pub dann in der City von Bremervörde in einer ehemaligen Eisdiele seine Türen öffnen.
Das Konzept gefiel auch den drei Superintendenten der Kirchenkreise Bremervörde-Zeven, Buxtehude und Osterholz-Scharmbeck und sie stellten das Team für drei Monate frei von ihren gewohnten Tätigkeiten. Die Finanzierung hat die Ev. luth. Landeskirche Hannovers übernommen aus dem Ressort „Initiative missionarischer Aufbrüche“ (IMA). Die Einrichtung des gemütlichen Pubs hat das Team auf Flohmärkten zusammengesucht. Ehrenamtliche haben mit angepackt und die Diakon:innen nehmen gern weiterhin jede helfende Hand an, z. B. für eine Stunde Tresendienst.
In Buxtehude ist der Pop-up Pub in direkter Nachbarschaft zu etlichen kommerziellen Kneipen. Was sagen die Nachbarn zur neuen „Konkurrenz“? „Wir waren schon im Gespräch mit einigen. Das ist für die keine Problem, wir sind ja nur kurz hier. Wir leben hier eine gute Nachbarschaft, und wer möchte, kann sich auch ein Gericht aus den umliegenden Gaststätten zu uns bestellen.“, versichert Feldmann.
Weitere FreshX-Formate haben in unserer Region Einzug gehalten. Z.B. das Projekt „Mehr als heiße Luft – Kirche am Redder“, das seit sieben Jahren in Harsefeld im Neubauviertel läuft, entstammt der Ideenschmiede von FreshX. Nähere Informationen gibt es unter Mehr als heiße Luft – Kirche am Redder (mehr-als-heisse-luft.de.
Im November schließt der Pub und die drei Diakon:innen kehren zurück zu ihren Arbeitsstellen in der Ev. Jugend ihrer Kirchengemeinden. Dann wird nicht nur Kassensturz gemacht, sondern sie werten ihre Erfahrungen aus und schauen, ob es nun gut ist mit drei Monaten Pop-up Pub oder ob das Projekt der Auftakt zu etwas Neuem sein kann.
Die Öffnungszeiten des Pop-up Pubs im September in Buxtehude: Montags und donnerstags bis freitags von 15.17 - 22.00 Uhr, samstags 10.00 bis 13.00 und 17.17 – 23.00 Uhr, sonntags 15.17 – 22.00 Uhr.
Christa Haar-Rathjen